Ausstellung mit Landschaften von Ela Ludwig-Krahl

7. Juni 2019, Villa Menzer, Neckargemünd


Die Ausstellung mit Bildern von Gabriele Ludwig-Krahl in diesen besonderen Räumen der Villa Menzer ist schon etwas Besonderes, da sie eine nicht geringe Anzahl von Bildern beachtlicher Qualität zeigt.

Wir werden alle Zeugen ihrer unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen, die sich von gegenständlichen Motiven hin zu abstrakten Bildern entwickelten.

In welcher Darstellungsform sie sich auch bewegt, immer ringt sie um die gute Komposition von Motiven, von Farben und Formen und von Linien.

In Vorbereitung auf diese Ausstellung konnte ich miterleben, dass sie es sich dabei nicht leicht macht. Dass sie ihre Arbeiten stets kritisch und mit Abstand betrachtet. Sie korrigiert sie, übermalt und verwirft sie. Und beginnt dann wieder von neuem. Ihre Bilder sind keine Kopf- oder Phantasiegeburten, sondern sie entspringen stets der konkreten Erfahrung, dem konkreten Seherlebnis.


Gabriele Ludwig-Krahl ist Jahrgang 1952 und wurde in Wiesbaden geboren. Sie absolvierte ein Lehramtsstudium in Heidelberg und war in diesem Beruf mit den Fächern Französisch, Deutsch und Kunst ca. 36 Jahre tätig.

Seit 1980 hat sie ihr Interesse und ihre Fähigkeiten für die Malerei entfaltet und absolvierte ferner ein dreijähriges kunstgeschichtliches Fernstudium.

Bei Ingeborg Zotz nahm sie in einem Kurs Aquarellunterricht und ließ sich danach von ihr weiter einmal im Monat mit Beratung und Korrekturen betreuen.

1990 zog sie mit ihrer Familie nach Genf, wo sie insgesamt vier Jahre lang Unterricht an der Ecole Des Beaux Arts nahm. Sie gab dort an der Uni Populaire Aquarellunterricht und dies auf Französisch. Nach ihren Worten musste sie sich so intensiv vorbereiten, dass der persönliche Lerneffekt für die Kunst wie auch für die Sprache enorm war.


Seit fast vier Jahrzehnten widmet sie sich der Malerei und zeigte ihre Arbeiten in der Ehemaligen Synagoge in Hemsbach, in der Galerie D in Mörlenbach und bereits in den 90er Jahren in zwei Genfer Galerien (Galerie Art/Artisanat in Onex/Genf und Beteiligung an der Ausstellung La Couleur bleu mit namhaften Künstlern in der Galerie Literat).

Auch stellte sie ihre Arbeiten in Ferney-Voltaire in Frankreich aus, motivierend war der gute Verkauf ihrer Arbeiten.

Seit 2015 ist sie Mitglied der GEDOK und an deren Ausstellungen beteiligt. Mitgliedschaft und Ausstellungsbeteiligung unterliegen jeweils einer Jury.


Ob es sich um Wiesen oder Seedarstellungen handelt, ob sie uns mit der Bergwelt konfrontiert, stets spart sie den Menschen aus. Sie möchte die reine, unverfälschte Natur einfangen. Nichts soll von ihr ablenken.

Mit ihrer Familie hat Ela Ludwig - Krahl vier Jahre in Genf, also in der Mont Blanc Region gelebt. Ihre Liebe zu den Bergen ist spürbar. An deren stoische und auch irgendwie geheimnisvolle Präsenz, lässt sie uns teilhaben. Bedeckt vom Schnee erleben wir sie als gewaltiges stummes Gegenüber. Ihre Stille wird nahezu greifbar.


Stumm entfalten die Berge ihr Panorama, wobei der Schnee Details verschluckt und ihre eigentliche Wucht sowie das Schroffe der Berge mildert. Auch verlieren die dunklen Spitzen der Berge durch die vielfältigen Übermalungen ihre kantige Schärfe.

Durch die verwischende Malweise, dadurch dass der Prozess des wiederholten Übermalens deutlich wird, werden die Motive zurückgenommen. Ihre stellenweise Unschärfe macht deutlich, dass es sich um Erinnerungsbilder handelt.

Die bewegte Malweise verleiht ihnen ferner Flüchtiges. Sie hat etwas Auflösendes, so dass Vergängliches, Vorübergehendes anklingt.

Und wenn der Berg sich gegen die beruhigende und gleichmachende weiße Schneeschicht durchsetzt, dann behauptet er sich in dunklen Tönen, so dass die Bergbilder auf dem schwarz-weiß Kontrast beruhen. Alle Bergansichten sind in Mischtechnik angelegt, sie sind in Acryl, Sand und Kreide auf Pappe oder Leinwand gemalt, wodurch sie eine haptische Qualität erhalten.


Es geht Gabriele Ludwig-Krahl immer um die reale Erscheinung der Natur. So ließ sie sich von einer Fotografie, die ihr Sohn auf einer Hochtour aufgenommen hatte, zu der Bergkette inspirieren, über die ein rosafarbener Himmel hinweg zieht. Die Assoziation zum Abendrot stellt sich ein. Dabei wird die Bewegung des Vorbeiziehens der Wolken durch die lang gezogene Pinselführung suggeriert.


Während das Blau auf den Bergbildern sparsam eingesetzt ist, entfaltet es am Motiv des Sees seine beruhigende Kraft in großen Flächen. Und weisen die Bergbilder bereits durch den Schnee begünstigte, Detail verschlingende abstrakte Tendenzen auf, so sind zwei der Seelandschaften fast nur noch an der Horizontlinie zu erkennen. In ihrem homogenen Blau verschmelzen Himmel und Wasser so dass sie die Uferlosigkeit von Zeit und Raum atmen.

Das Blau, das nach Wassily Kandinsky eine „einstrahlende Wirkung“ hat, also nach innen geht, beruhigt. In seiner Eigenschaft, sich zurück zu nehmen, vermittelt es Konzentration und lässt den Aspekt der Meditation anklingen.


Lediglich die Spuren der Wolken am Himmel, die in einem horizontal gezogenen Pinselduktus eingefangen werden, und die stellenweise farblich schimmernde Tiefe des Sees sind zu erkennen.

Der monochrome Farbauftrag bewirkt, dass die Seen, wie sie da liegen, bewegungslos erscheinen.

Diese Bewegungslosigkeit setzt allen flüchtigen Landschaftsimpressionen etwas Beständiges entgegen.


Und wenn die Malerin bisweilen ein Boot oder einen Steg auf dem Wasser andeutet, wenn das Gelb der Sonne auf dem See seine Spur hinterlässt, oder wenn wir das Gefühl haben, von einer Anhöhe hinunter auf Felsen im Wasser zu schauen, dann fangen auch diese Bilder das ein, was wir Menschen suchen, wenn wir den Anforderungen des Alltags und all dem Lauten um uns herum entfliehen wollen. „Mich interessiert die Darstellung der Ruhe, der Leere, …der Blick auf die Wasseroberfläche eines Sees…“, sagt Gabriele Ludwig-Krahl.


Für die Künstlerin ist ein minutiöser Realismus ungeeignet, die von ihr empfundene Stimmung wiederzugeben. Vielmehr geht es ihr darum, den Gesamtklang, den eine Landschaft hinterlässt, wiederzugeben..

Mit drei großformatigen Bildern huldigt sie dem Frühling. Mit einem davon fängt sie, angeregt durch Eindrücke eines Spaziergangs im Schwarzwald, den letzten Schnee am Waldrand ein. Dieser wird von frischem Grün verdrängt.

Mit dem Bild, welches Pinien zeigt, wählt sie eine reizvolle Perspektive von einer Anhöhe hinunter aufs Meer.

Und es scheint, als ob sie dem Bild, welches den Blick über ein weites Feld in wohlscheinenden Grün-, Weiß- und Gelbtönen führt, etwas Grobes entgegen setzen möchte. Davon zeugen die Kratzspuren an der Oberfläche. Auch verwendet sie Sand und Kreide und bewirkt damit Brüche im glatten Farbauftrag, wodurch es schrundig und reliefartig wirken.


Der allgemeine Durchbruch zur Abstraktion vollzog sich in der Bildenden Kunst in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Damals lösten sich die Maler, die bis dahin die Realität in Stillleben, Landschaften, Interieurs, Porträts und Historienbilder wiedergegeben hatten, von dem wie sie es nannten, „Abmalen“ der Wirklichkeit. Vielmehr entdeckten sie den Eigenwert der Farben, sie entdeckten deren Eigenschaften.

Und mit der Autonomie der Farben arbeitet die Künstlerin, wenn sie auf ihren kleinformatigen Gartenbildern die Wärme des ausstrahlenden Rot, das Ausgleichende am beruhigenden Grün, die Leuchtkraft des Gelb in seiner nach vorne drängenden, sonnenhaften Energie spiegelt.


Auf diese Weise spiegeln die Gartenbilder in dynamisch-gestischer Malweise die Kraft und die farbliche Intensität der Natur. Der dabei dominierende Kontrast von Rot-Grün, das Aufblitzen von hellem Weiß und dem Gelb der Sonne suggeriert die Fülle eines Blumengartens.

Wir sehen keine Blätter, aber ihr Grün, wir sehen keine Blüten, aber ihre bunten Farben. Sie zoomt uns an Gräser und Blüten regelrecht heran, so dass wir in deren Farben und in ihre wie mikroskopisch vergrößerten Formen eintauchen können.


Wie die Landschaften so sind auch die abstrakten Bilder von Gabriele Ludwig-Krahl angeregt von ganz konkreten Seherlebnissen, von ihrer Begegnung mit der Wirklichkeit also.

Fasziniert von dem farbigen Spiel von Licht und Schatten auf den hohen Wänden der Felsen bei Marseille, lässt sie Farben und Formen scheinbar frei aus sich heraus fließen. Es ist die Verbindung von Intuition und künstlerischem Abwägen, die die Qualität im Ausdruck ausmacht.

Die hochformatigen, völlig abstrakten Bilder „Les Calanques“, die in Acryl, Kreide auf Papier angelegt sind, fangen im Kalt-, Warm- Kontrast das Wasser, den Himmel sowie die Sonne ein.


Und dann gibt es da noch die drei kleineren abstrakten Arbeiten, die mit Füllstoffen, Sand und Stoffteilen arbeiten und die die Assoziation an poröse, abbröckelnde Mauern erzeugen. Irgendwie kommt die Assoziation zu Graffitis auf.

Schwarze Farbspuren umranden jeweils ein rotes Viereck, wobei die sparsam gesetzte geometrische Form auf dem putzartigen Bildgrund zum Blickpunkt wird.

Die Künstlerin arbeitet hier mit der Faszination, die von allem Hinfälligen ausgeht.

Diese Bilder atmen den Charme des Morbiden, der nicht ohne Poesie ist.

Die Malerin hat diese Fensterbilder, wie sie sie nennt, über andere Bilder gemalt. Sie wollte klar werden und ging dabei so vor, dass sie durch die Übermalung stetig mehr wegnahm. Wenn ein Bild zu konkret ist, dann ist sie stets dazu verleitet, seinen Ausdruck freier zu machen. Sie sagt dazu: „Man kann immer darüber gehen und von neuem beginnen.“


Während viele Bilder deutlich die Fläche betonen, zeugen andere Arbeiten von einer selbstbewussten, zeichnerischen Malgeste. Diese sind in Schwarz gehalten, das Schwarz, von dem Kandinsky sagt, da geht nichts mehr. Es scheint, als ob die Malerin, dieser deklarierten Eigenschaft durch die ausgreifende lineare Bewegung etwas Gegensätzliches verleihen möchte. Und dies sind Dynamik und Energie.

Dicke, breite dunkle Linien, die die Bildebene mit Wucht überziehen, verkörpern kraftvoll bewegte Farbspuren. Auch sie verdanken sich einer Mischung aus Impulsivität, Intuition und künstlerischem Kalkül.


Künstlerin sagt zu diesen Arbeiten: „Ausgehend von Fundstücken (am Meer gesammelt) bin ich auf die Suche nach Formen gegangen, die Bestand haben, die interessant in der Linienführung sind, Spannung haben… Herausgekommen sind Formen, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Fundstück zu tun haben. Die Lust all das Kleinteilige zu überwinden, Wahrheiten zu schaffen mit klaren Formen.“

Und was sich da auf dem Malgrund abspielt, das ist eine zeichnerische Handlung, welche Bewegung, Ruhe und Klarheit wirkungsvoll vereint.

Die Zwischenräume auf den Bildern sind ebenso wichtig wie die Linien. Letztere vollstrecken sich vor einem meist weißlich-grauen Hintergrund, der deutlich erkennen lässt, dass der Bildgrund vorher farbig war, von der Künstlerin aber wieder verworfen und so mit Weiß übermalt wurde, dass die Farbe noch durchschimmert. Auf diese Weise lassen die Bilder den Bildherstellungsprozess erahnen, erhalten Tiefe und auch etwas Geheimnisvolles.

Diese großzügigen gestischen Linien zeugen von dem Willen, sich zu behaupten. Und irgendwie schwingt die asiatische Kalligrafie mit.


Es sind nahezu archaisch einfache Zeichen, durch die wir manchmal wie durch ein Gitter schauen. Die Malerin ließ sich von den Bildern des amerikanischen Künstlers Franz Kline inspirieren und verbindet wie dieser Künstler der informellen Malerei Konstruktives und Emotion, Strenge und Freiheit.

Für mich sind ihr künstlerischer Werdegang und die unterschiedlichen Darstellungsformen ihrer Bilder Ausdruck von Freiheit,. Jener Freiheit, die man sich in der Kunst nehmen muss, weil man diese Freiheit nicht geschenkt bekommt (frei nach Picasso).


Aloisia Föllmer