Natur im Blick

Ausstellung mit Bildern von Ela Ludwig –Krahl 2020-01-01


Die Bilder der heutigen Ausstellung mit dem Titel „Natur im Blick“ geben vielleicht eine Antwort darauf, warum wir uns so gerne in die Natur begeben. Warum wir Berge und Täler mit ihren Seen und ihrem Grün aufsuchen.


Und was zieht uns an einer im Schnee oder im Morgendunst liegenden Landschaft an?

Günther Uecker hat darauf einmal eine Antwort gegeben: „Eine weiße Welt ist eine ruhige Welt.“

Diese Tatsache scheint die Künstlerin verinnerlicht zu haben.


Denn ein großer Teil dieser Ausstellung nehmen ihre Wasserlandschaften ein, auf denen die Farbe Weiß, oft durch Grau-, Blau- und Grüntöne ergänzt, dominiert. Diese Bilder lassen den Lärm um uns herum vergessen und sie vermitteln Ruhe.

Das Weiß macht auf wohltuende Weise alles gleich. Es gibt nur Weniges den Blicken des Betrachters frei.

Und dadurch dass es Details der Natur verschluckt, haftet den Bildern Geheimnisvolles an.


Die Wasserbilder von Ela Ludwig Krahl sind inspiriert von Butjadingen, einem Ort an der Nordsee, wo das Haus ihrer Großmutter direkt am Deich stand. Im Gespräch mit ihr erfuhr ich, dass diese Landschaft, eine ihr „nahe Landschaft“ ist, mit der „gepanzerten Küste, wo das Wasser 1967 bis hoch oben an den Deich stieg.“


Die Künstlerin baut ihre Wasserbilder auf dem Schwarz-Weiß-Kontrast auf. Mal kurz, mal länger ragen düstere Befestigungen gegen den Sturm, aus dem Wasser auf.

Dabei ist die Kraft des Wassers mit dynamischem Pinselduktus gestaltet und setzt sich bisweilen vom beruhigten Himmel deutlich ab.

Mit dieser bewegten Malweise fängt die Künstlerin auch das Vorüberziehende eines jeden Landschaftserlebnisses ein.

Ela Ludwig-Krahl ist Jahrgang 1952 und wurde in Wiesbaden geboren. Sie absolvierte ein Lehramtsstudium in Heidelberg und war in diesem Beruf mit den Fächern Französisch, Deutsch und Kunst ca. 36 Jahre tätig.

Trotz Beruf und Familie hat sie vierzig Jahre lang an ihrem Interesse für die Malerei festgehalten und ihre malerischen Fähigkeiten kontinuierlich entfaltet. Auch absolvierte sie ein dreijähriges kunstgeschichtliches Fernstudium.


Bei der Malerin Ingeborg Zotz nahm sie Aquarellunterricht und ließ sich von ihr jahrelang einmal im Monat mit Beratung und Korrekturen betreuen.

1990 zog sie mit ihrer Familie nach Genf, wo sie insgesamt vier Jahre lang Unterricht an der Ecole Beaux Arts nahm. Sie gab dort an der Uni Populaire Aquarellunterricht und dies auf Französisch.


Sie zeigte ihre Arbeiten in der Ehemaligen Synagoge in Hemsbach, in der Galerie D in Mörlenbach und bereits in den 90er Jahren in zwei Genfer Galerien (Galerie Art/Artisanat in Onex/Genf und Beteiligung an der Ausstellung La Couleur bleu mit namhaften Künstlern in der Galerie Literat).

Auch stellte sie ihre Bilder in Ferney-Voltaire in Frankreich aus, motivierend war der gute Verkauf ihrer Arbeiten.

Im letzten Jahr nahm sie die Herausforderung an, die Räume der Villa Menzer in Neckar-Gemünd zu bespielen.


Seit 2015 ist sie Mitglied der GEDOK und an deren Ausstellungen beteiligt. Mitgliedschaft und Ausstellungsbeteiligung unterliegen jeweils einer Jury.


Die Künstlerin ist nach eigenen Angaben fasziniert von der norddeutschen Landschaft, ihrer Kargheit, ihrer Weite, ihren grünen Weiden und „dem tiefen Horizont, der stündlich neue Himmel bietet.“

Dadurch dass sie diese verinnerlicht hat, atmen ihre Bilder ihre ganz persönliche Sicht auf sie.


Denn die Elemente der Natur, die Berge, Täler und Seen, Wasser und Steine, Bäume und Wiesen werden generell in der Landschaftsmalerei nicht in ihrer Vereinzelung gesehen, sondern sie erhalten ihre Gesamterscheinung durch die vereinheitlichende Kraft der Seele des betrachtenden Künstlers, der betrachtenden Künstlerin. Diese alles verbindende Kraft zeigt sich jeweils im Gesamtklang von Motiven, Farben und Formen.


Betrachten wir nun die großformatige Landschaft mit dem Titel „Vlakke Land“ mit ihren reliefartigen Strukturen und hellen Farben.

Auf ihr werden Wasser und Wiesen im Wechsel von weißen sowie von blauen und grünen Pastelltönen gestaltet.

Da diese Töne in sanft wogenden Farbbahnen angelegt sind, lassen sie die menschliche Sehnsucht nach Gleichmaß und nach Besinnung durchscheinen.

Auch auf diesem großformatigen Bild gibt es nur wenig Konkretes, wohl aber wiederum die Andeutung dunkler Befestigungspfosten. Auf diese Weise changiert es, wie viele Arbeiten der Künstlerin, zwischen gegenständlicher und abstrakter Darstellung, zwischen realer Wiedergabe und künstlerischer Freiheit.


Diese Bilder machen deutlich, dass die Künstlerin das Staunen und die Hingabe an die Natur nicht verlernt hat. Denn in allem spürt man das Meer, die Luft und die salzige Brise des Nordens.


Menschen, bzw. die Künstler/innen, die sich von der Natur berühren lassen, sind auf sich selbst geworfen. Sie erfahren, dadurch dass sie sich auf die Natur einlassen, verborgenes Inneres, Seelisches, wodurch ihr Bewusstsein von sich selbst erweitert wird.

„Denn jede Stimmung“, so hat Heinrich Lützeler einmal bemerkt, „erschließt uns selbst und in eins (gleichzeitig) damit unsere Befindlichkeit in der Welt.“

So lassen weite Landschaften wie das „Vlakke Land“ mit ihrem unbegrenzten Blick die menschliche Sehnsucht nach Freiheit erahnen. Denn angesichts der Unbegrenztheit der Natur, werden die eigenen Grenzen erst so richtig bewusst.


Obwohl die Arbeiten der Künstlerin den Menschen als Identifikationsfigur aussparen, ist er dennoch indirekt gegenwärtig.

Denn wenn sich der Mensch bzw. der Betrachter von übermächtigen Pinien, vom Anblick eines Flusses, der sich um schwere Steine windet oder vom Anblick eines Bootes, das still auf einem See liegt, berühren lässt, dann spiegelt sich darin sein Bedürfnis, Teil der Natur zu sein.


Wenn ein Boot verlassen auf dem stillen Wasser liegt, dann erzeugt es die Assoziation zu Einsamkeit.

Die Künstlerin malt eines ihrer Boote auf blauem Wasser. Die Farbe Blau ist nicht nur die Farbe des Wassers, sondern auch der Luft und der Transzendenz.

So still und unpathetisch, wie das Boot auf dem Wasser da liegt, kann es als Symbol des Lebens zwischen Angekommensein und Aufbruch angesehen werden.


Fasziniert von Bäumen, die am Ufer stehen, malt sie den Blick durch Baumstämme hindurch. Gegensätze bestimmen das Bild. Der Nähe und dem Konkreten der Baumstämme antwortet die undurchdringliche weiße Ferne.


Es gibt in dieser Ausstellung eine Serie von drei Bildern mit dem Titel „Ufernah“. Sie sind kleinformatig aber deshalb nicht weniger wuchtvoll.

Sie führen ganz nah an die Uferbewachsung heran und zeigen Bildern die ausgreifende Bewegung von Gräsern oder Ästen.

Die Künstlerin legt ihr Temperament hinein und heraus kommt ein Bildausdruck, der am Detail die ungebändigte Energie der Natur spiegelt.


Diese Bilder verbinden Gegenständliches, also das Festhalten an Gräsern und Ästen mit der gestisch-impulsiven Malweise. Hier spürt man das Aufbegehren der Natur. Sie verliert das Beschauliche, sie wird in ihrem Überlebenskampf festgehalten.


Nach dem Besuch der Biennale in Venedig, nach den vielen visuellen Eindrücken trat die Künstlerin in die Giardini und empfand diese als besonders wohltuend.


Ihre kleinformatigen Giardini-Arbeiten in Acryl, auf Büttenpapier sind spontan gemalte Bruchstücke von Erinnerungen, die die äußere Erscheinung einzelner Bäume und Pflanzen auflösen und auf ihre verborgenen Strukturen durchdringen.

Die Künstlerin reduziert das Gesehene wie sie sagt auf „Kleine Blicke“. Dabei deutet sie die Konturen von Bäumen und Büschen bisweilen mit flüchtig gesetzten Linien aus Kreide an, die sie spontan über die Farbe zeichnet.


Auf diesen vorwiegend abstrakten Bildern fangen gelggrüne Farbflächen die Wärme der Sonne ein, das dunkle Grün spiegelt die Kraft der Vegetation. In Verbindung mitsparsamen rosafarbenen und weißen Stellen, die an Blüten erinnern, erhalten diese Giardini Bilder ihr sanftes Leuchten.

Von der gegenständlichen Darstellung weitgehend gelöst, sind diese Bilder der informellen Malerei zuzuordnen.

Noch reduzierter im Ausdruck sind die kleinformatigen Wasserimpressionen.


Wenden wir uns wieder realistisch gemalten Bildern der Malerin zu.

Auch Steine faszinieren sie. Mit ihrer dreiteiligen, kleinformatigen Serie verdichtet sie deren nuancenreiche Farben. Sie macht die dichten, kompakten, abgerundeten Formen der Steine noch deutlicher, indem sie diese mit bewegten, dünnen zeichnerischen Linien überlagert.


Auf den großformatigen Bildern ragen aus deren Flussbett große Steine hervor.

Ihre wuchtvolle plastische Präsenz sowie ihr stoisches Lagern im Wasser faszinieren in ihrer deutlichen Erscheinung.

Dabei erzeugen auch die Farbabstufungen der Steine und das Schillern vielfältiger Farbtöne des Wassers besondere Effekte.


Manche empfinden vielleicht die Vertrautheit eines solchen Anblicks und spüren eine Übereinstimmung mit den Gefühlen der Künstlerin. Auch kann man den Kontrast zwischen dem Fließen des Wassers und den leblosen Steinbrocken als Symbol für Werden und Vergehen ansehen. Leichte Melancholie schwingt mit.


Landschaft ist das Gesicht der Natur.

Mit ihrer Darstellung eignen sich die Künstler einfühlend und ausschnitthaft einen Teil der Schöpfung an.

Sie widmen sich der Wirklichkeit der Natur im Gegensatz zur Wirklichkeit unserer städtischen, industriellen, technischen und digitalen Realität.

Damit gewinnt die Landschaftsmalerei gerade in unserer Zeit als Reaktion auf Umweltzerstörung und Fortschrittsglauben sowie angesichts der Bedrohung aller natürlichen Ressourcen an Bedeutung.


Somit ist das Übergeordnete der Natur das eigentliche Thema jeder Landschaftsmalerei und damit auch der Bilder von Ela Ludwig-Krahl.


Aloisia Föllmer